Creative Chaos Baking mit Lara

Backen ist ja momentan voll im Trend. Backen ebenso wie Kochen, Nähen, Autos reparieren, DIY – alles soll semiprofessionell mustergültig abgehen, und ein jeder andere fühlt sich schlecht, wenn sein eigenes Tun eben doch nur auf kleiner Flamme bleibt.

Auch Genuss und Liebe sind voll im Trend, zumindest wenn es um oben Genanntes geht. Überall wird nur noch mit Hochgenuss getafelt und mit viiiieeel Liebe produziert – als ob es vorher lediglich ohne vonstattenging. Und der arme Oscar Wilde! Selbst beim Kettenbäcker wird sein Satz kolportiert, dass man den Genuss ausleben sollte, weil man nie weiß, ob es noch einmal eine Möglichkeit dazu gibt. Da bleibt mir der Genuss sogar eher im Halse stecken, wenn ein wehrloses Zitat so überstrapaziert wird. Das macht den Kuchen nicht lockerer, das Obst nicht süßer, die Kalorien-Sünde nicht ungeschehen.

Gestern musste ich lachen, weil bei einem neuen Bagel-Laden in unserer Stadt eine Tafel hing, auf der stand: Nein, wir backen nicht mit Liebe, obwohl es gerade überall Trend ist, sondern mit gutem Mehl und unseren Händen.

Womit wir beim Thema sind: Auch ich backe. Gerne. Phasenweise auch viel. Aber immer ein bisschen chaotisch, immer mit der jeweiligen hochexplosiven Stimmung und mit gefühlt 7 Händen gleichzeitig. Und dementsprechend geraten auch meine Backwerke. Ich bin fest davon überzeugt, dass gerade Biskuit und Hefeteig meiner Laune und Hektik unterworfen sind. Je wuseliger, desto kompakter, je beflügelter, desto lockerer. Deswegen halte ich mich auch ungern an Rezepte. Auf diese Weise kann ich nicht enttäuscht werden. Manchmal schaue ich in eines und denke. „Stand das neulich auch da drin?“ Dann fällt mir ein, dass ich schon das letzte Mal improvisiert habe. Denn ich mag keine stoischen Gefühle in der Küche. Und ich kann sie mir auch nicht erlauben. Viel wichtiger ist für mich zu wissen, dass sehr fester Eischnee Backpulver ersetzen kann, dass gute, gemahlene Mandeln den Platz vom Mehl einnehmen können und dass das fehlende Ei 2 Esslöffel Sojamilch oder 1 kleine zermantschte Banane verzeihen.

Dieses Wissen ist auch nötig, denn ich habe nie den perfekt gefüllten Vorratsschrank und meine Einkaufsstreifzüge werden mehr von Hunger, quengelnden Kindern oder Zeitdruck gelenkt als von eindeutigen Einkaufslisten. Ich musste erst die 40 überschreiten, bis ich aus der Verzweiflung darüber zur Einsicht kam:

  1. Ich bin nicht Bree Van de Kamp.
  2. Ich bin ein Chaot und muss das Beste daraus machen.
  3. Wie im Rezept wird es sowieso nie
  4. Aber irgendwie klappt es doch

Insofern freue ich mich jedes Mal, wenn ich den hier genannten Rhabarberkuchen meiner Mutter Bärbel backe und der Teig mal vom Löffel reißt, mal eher in der Rührschüssel flockt, mal in die Form fließt. Manchmal habe ich Schnaps, manchmal keinen, dann nehme ich Milch. Neulich habe ich ihn aus Verlegenheit mit Eierlikör gebacken – war auch lecker. Aber es bleibt immer spannend.

Und wenn ich beim Rühren und Abwiegen dann auch das allerletzte freie Fleckchen Arbeitsfläche eingemehlt und mit gebrauchtem Werkzeug erstickt habe, fühle ich mich auch ganz kurz sehr sehr schlecht, weil in den YouTube-Tutorials und TV-Backshows alle Hobby-Bäcker so unglaublich ordentlich und diszipliniert sind. Aber auch das Gefühl geht wieder vorbei, wenn selbst ich aufgeräumt habe und der Kuchen im Ofen hochgeht oder im Kühlschrank glänzt.

Apropos Hochgehen: Den Boden der Joghurette-Torte habe ich übrigens auch ganz schnell improvisiert: Das ursprüngliche Rezept, mit Puddingpulver angerührt, kam mir vage bekannt vor, sah fertig dann aber eher aus wie ein flacher gelber Küchenschwamm. Das wollte ich meinen Freundinnen nicht antun und habe einfach einen ganz anderen Biskuit gebacken.

Mein Tipp: Mut zur Lücke, Freude am Chaos, Dranbleiben, auch wenn die Liebe unter Umständen irgendwo auf der Strecke bleibt; und sich den Genuss durch die ständige Verordnung am Genuss nicht nehmen lassen.

 

Rhabärbel-Kokos-Kuchen

Zutaten

500 g Rhabarberstangen
3 kleine oder 2 große Eier
150 g sehr weiche Butter
150 g Zucker
1 Prise Salz
150 g Mehl
1 gestr. Teel. Backpulver
ca. 2 Tassen Kokosraspeln
4 Essl. Puderzucker
Beliebig viel Kirschbrand (oder Eierlikör, dann aber noch 1-2 Essl. Milch dazu)

Zubereitung

Ofen auf 150° Grad heizen (ja, so niedrig!), dann Springform fetten und mehlen. Die Rhabarberstangen waschen und abziehen, dann in kleine Stückchen schneiden. Eier trennen und das Eiweiß mit einer Prise Salz sehr steif schlagen. Die Butter mit dem Zucker kräftig verrühren und nach und nach die Eigelbe zufügen, bis die Masse hellcremig ist. Mehl mit dem Backpulver drübersieben und gleich so viel Kirschbrand (oder Milch) einrühren, dass der Teig schön locker ist. Den Eischnee mit einem Spatel unterheben. Dann den Teig in die Form geben.

Kokosraspeln mit dem Puderzucker vermengen und die Hälfte davon auf den Teig geben. Darauf die Rhabarberstückchen. Die andere Hälfte der Kokosraspeln mit einem guten Schuss Kirschbrand vermengen und auf den Rhabarber geben.

Auf der mittlere Schiene im Ofen ca. 45 Minuten backen. Stäbchenprobe machen und nach dem Herausnehmen 10 Minuten in der Form ruhen lassen.

Laras Chaotentipp: Lässt sich auch prima einen Tag vorher backen, dann ist er zum Kaffee gut durchgezogen. Und die Bäckerin entspannt.

Joghurette Torte

Zutaten für den Boden

5 zimmerwarme Eier
1 Prise Salz
130 g Zucker
1 Päckchen Vanillezucker
120 g Mehl
50 g Speisestärke
1 Messerspitze Backpulver

Zutaten für den Belag

2 Packungen Joghurette (besser gleich 3, denn man kann das Naschen nicht lassen)
500 g Erdbeeren
400 g Schmand
350 g Crème fraîche
200 g Schlagsahne
80 g Zucker
8 Blatt weiße Gelatine

Zutaten für die Deko

Pistazien
Schokoröllchen

Zubereitung

Backofen auf 200 Grad vorheizen. Eine Springform am Boden mit Backpapier auslegen. Die Eier trennen und das Eiweiß steif schlagen. Den Zucker beim Weiterschlagen langsam einrieseln lassen. Eigelb und Zucker kräftig verrühren, bis die Masse hellcremig ist, und zum Eischnee dazugeben.

Mehl, Speisestärke und Backpulver auf die Teigmischung sieben und vorsichtig, aber zügig unterheben. Sofort ca. 12 Minuten backen.

Springformrand lösen, Boden stürzen, Papier abziehen und den Biskuit vollständig abkühlen lassen.

*

Joghurette in Stückchen schneiden. Gelatine in kaltem Wasser einweichen. Die Erdbeeren bis auf ein paar große Früchte in kleine Stücke schneiden. Den Schmand und Crème fraîche mit dem Zucker verrühren. Sahne steif schlagen, dabei Vanillezucker einrieseln lassen. Die Gelatine ausdrücken und bei geringer Hitze auflösen. Einige Löffel Schmandmasse zur Gelatine rühren und zügig unter die übrige Masse ziehen. Sahne mit den Erdbeeren und den Joghurette-Stückchen vermengen und zur Schmandmasse dazugeben.

Einen Tortenring um den Biskuit legen und den Belag daraufstreichen. Mindestens 4 Stunden kaltstellen.

Kurz vor dem Servieren mit Pistazien, Erdbeeren, Schokoröllchen und evtl. Sahnetuffs verzieren. Ich schmeiße immer alles je nach Stimmungsbild drauf: Mal sortiert, mal klassisch nach Tortenstücken, mal in Ringen, mal wild durcheinander.

 

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Lara
Gratwanderin zwischen 5-köpfiger Familie, dem bisschen Haushalt und ihrer Arbeit als Lektorin. Sie lässt sich gerne von Sprache verzaubern und steht jedem Text sein Anrecht auf Vollkommenheit zu. Ihr Motto: Nordisch by nature.